Juli 2023: Änderung § 3 Abs. 7 VgV / Auftragswertermittlung bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen

Der Bundesrat hat im Juni 2023 beschlossen, der „Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare (eForms) für EU-Bekanntmachungen“ zuzustimmen. Hinsichtlich der beabsichtigten Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, den Ländern klarstellende Erläuterungen zu künftigen rechtssicheren Berechnungen des geschätzten Auftragswertes im Falle von Bau- und Planungsleistungen für die Ermittlung des einschlägigen EU-Schwellenwertes in der Praxis zur Verfügung zu stellen. So sollen die Auswirkungen und Rechtsunsicherheiten der geplanten Aufhebung eingegrenzt werden (§ 3 Absatz 7 Satz 2 der Vergabeverordnung (VgV) sowie der entsprechenden Normen in der Sektorenverordnung (SektVO) und der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV)). 

 

Aufgrund eines anstehenden Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland bestand schon seit einem längeren Zeitraum Handlungsbedarf. Der EuGH hat bereits mit seiner "Autal-Hallen-Entscheidung" (EuGH v. 01:00 15-03-2012 -C-574/10), die nach dem Recht vor der Vergaberechts-Reform 2016 erging, deutlich gemacht, dass § 3 Abs. 7 VgV der EU-richtlinienkonformen Auslegung zugänglich ist. 

Art. 5 Abs. 8 RL 2014/24/EU bestimmt: „Kann … die vorgesehene Erbringung von Dienstleistungen zu Aufträgen führen, die in mehreren Losen vergeben werden, so ist der geschätzte Gesamtwert aller dieser Lose zu berücksichtigen.“ Auch für Planungsleistungen gilt also ein funktionaler Auftragsbegriff. Eine pauschale Addition ist dabei nicht immer erforderlich. Doch auch keine Interpretation der Regelung der HOAI, welche als Kostenordnung ausschließlich der Vergütung für Architekten- und Ingenieurleistungen dient. 

Spätestens seit der Vergaberechts-Reform 2016 hat auch der Bund unter Hinweis auf die Begründung zu § 3 Abs. 7 VgV die Auffassung vertreten, dass die Vorgabe EU-rechtskonform anzuwenden ist. Es kommt in jedem Einzelfall auf die technischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge und die innere Kohärenz des zu planenden Objektes an. 

Ein Bauauftrag umfasst immer alle Gewerke, die zur Fertigstellung des vom Auftraggeber gewünschten Bauwerks notwendig sind. Dieser Bauauftrag wird in der Regel in Fachlose aufgeteilt (z. B.: Rohbau, Heizung, Elektroinstallation). Was für den Bau gilt, gilt auch für die Planung. Ein Planungsauftrag umfasst somit alle Planungsleistungen, die notwendig sind, um das gewünschte Ziel zu erreichen.

In Hessen ist die Auftragswertermittlung bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen (Planungsleistungen) im Unterschwellenbereich schon länger deutlich geregelt und überwiegend in der Praxis etabliert: 
Mit dem Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes (HVTG 2015) wurden Planungsleistungen unter die Dienstleistungen subsumiert. Danach war bei einem kalkulierten Auftragswert der Planungsleistung von 50.000 EUR netto und größer ein Interessenbekundungsverfahren (IBV) durchzuführen. Die Durchführung eines IBVs bewirkte die Veröffentlichung auf der Hessischen Ausschreibungsdatenbank (HAD; Pflichtbekanntmachungsplattform in Hessen) und wurde dadurch den vergaberechtlichen Grundprinzipien der „Transparenz“ sowie des „Wettbewerbs“ gerecht. 

Mit dem Inkrafttreten des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes (HVTG 2021) im September 2021 ist die UVgO in Hessen zur Anwendung gebracht worden, welches das IBV durch den Teilnahmewettbewerb ersetzt. Für die Vergabe von „freiberuflichen Leistungen“ wird nunmehr auf die Anwendung des § 50 UVgO verwiesen. Hiernach ist ein wettbewerbliches Verfahren durchzuführen, wenn es nach Einzelfallprüfung möglich ist. 

Wie das Verfahren ausgestaltet ist, obliegt dem öffentlichen Auftraggeber – sofern die Grundprinzipien des Vergaberechts – Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung – dabei eingehalten werden. Dies gilt bis zum aktuellen EU-Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen. Nach wie vor ist gegebenenfalls das Vorliegen einer Binnenmarktrelevanz zu prüfen und entsprechend zu dokumentieren. 

Den Beschluss des Bundesrates finden Sie hier